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Furcht vor der Ruhe

Mit unseren Überzeugungen, dem Drang dazu, uns selbst zu schützen und unserer dunklen Seite haben wir über drei Dinge gesprochen, die dich davon abhalten können, wirklich du selbst zu sein. Aber weißt du überhaupt ganz genau, wer du bist? Bist du dir sicher, wen du da genau liebst, wenn wir von bedingungsloser Selbstliebe sprechen? Um unzerstörbares Selbstvertrauen aufzubauen ist es wichtig, dass du weißt, wem du da vertraust. Deshalb soll es jetzt darum gehen, dich selbst zu finden. Und auch wenn du dich selbst bereits gut kennst: Lies ruhig weiter, vielleicht helfen die folgenden Ideen dir dabei, noch ein kleines bisschen mehr über dich zu lernen.

Image by Marc-Olivier Jodoin

Der französische Mathematiker, Physiker, Literat und Philosoph Blaise Pascal hat einmal frei übersetzt gesagt: „Alle Probleme der Menschheit beruhen darauf, dass der Mensch nicht in der Lage ist, ruhig alleine in einem Raum zu sitzen“. Was das mit allem zu tun hat, fragst du? Um mehr über sich zu lernen, ist Ruhe und Selbstreflexion nötig. Und davor haben wir oft Angst und tun unser möglichstes, es zu vermeiden. Weil wir Angst haben, was wir erfahren könnten. Und weil wir Langeweile fürchten, die Ruhe der Existenz sozusagen. Wir sind nicht gerne alleine mit der Stimme in unserem Kopf. Deshalb lieben wir ziellose Ablenkung. Ganz ehrlich: Nimmst du dir ab und zu die Zeit, alleine für dich zu sein und über dich und dein Leben nachzudenken? Die moderne Welt bietet uns unendlich viele Möglichkeiten, uns abzulenken.

Warum das so gut funktioniert, hat vor allem mit Dopamin zu tun. Dopamin ist ein Neurotransmitter in unserem Gehirn, der unter anderem positive Gefühle vermittelt. Deshalb wird es auch manchmal als "Glückshormon" bezeichnet. Evolutionär ist es aber eher als Belohnung entstanden, deren Ausschüttung im Körper dem Menschen signalisiert, dass er etwas „richtiges“ getan hat und ihn somit darauf konditioniert, dieses Tätigkeit zu wiederholen. Eine Ausschüttung von Dopamin ist für uns also mit einem Glücksgefühl verbunden (es hat aber auch noch andere Aufgaben). Glücksgefühl klingt doch gut, höre ich dich sagen. Das stimmt. Aber Glück ist nicht gleich Glück. Wenn ich von zielloser Ablenkung spreche, meine ich „Fast Food Glück“. Schnell zu bekommen, aber auch schnell wieder weg, ein kurzfristiger „Glücks-Kick“.

Image by Meghan Schiereck

Wann wird Dopamin in unserem Gehirn ausgeschüttet? Wie kommen wir an unsere "Glücksdroge"? Interaktionen mit anderen Menschen, Sport, Sex, Drogen, Alkohol, Computerspiele, Social Media, Essen, ein Ziel erreichen, etwas Schönes kaufen – das sind nur ein paar Dinge, die Dopamin produzieren können. Würdest du diese Dinge in "gut" und "schlecht" einteilen oder einige von ihnen als ziellose Ablenkungen sehen? Ich schon, für mich, subjektiv. Ich möchte hier aber gar nicht bewerten, ich möchte nur darauf hinweisen, dass Sport, Kokain und Facebook in ihrer Wirkung auf dich durchaus etwas gemeinsam haben, und zwar auf einer wissenschaftlich nachweisbaren Ebene ohne erhobenen Zeigefinger. Wir haben uns als Menschen in unserer heutigen Welt sehr viele Möglichkeiten geschaffen, unserem Organismus eine „Belohnung“ zu verschaffen.

Wenn du aber Schwierigkeiten beim Abnehmen hast, oder gerne ins Casino gehst und Geld verlierst, gerne Drogen nimmst, häufig teure Kleidung kaufst oder alle 5 Minuten Twitter und Instagram checkst: Verstehe, dass deine "Süchte" häufig vom Verlangen nach einem schnellen Dopamin-Ausstoß gesteuert werden. Und alle wunderbar dazu taugen, dich abzulenken von deinen Gedanken. Das ist nur natürlich, denn die Funktionsweise unseres Gehirns ist evolutionär bedingt nun einmal, wie sie ist. Nur haben wir heutzutage so viele Möglichkeiten, ein Glücksgefühl sehr einfach auszulösen. Koks und die Facebook-App sind einfach wesentlich

effizienter darin, Dopamin in uns zu generieren, als eine Stunde Fitnessstudio oder endlich die Hausarbeit fertig zu schreiben.

Zudem bringen wir mit diesem modernen Möglichkeiten unseren Hormonhaushalt durcheinander. Wenn du ständig mehr Dopamin in deinem System hast, als es im „Ruhezustand“  natürlich ist, dann ist das, was dein Körper an anderer Stelle ausschüttet, um dich zu belohnen, plötzlich nicht mehr viel Wert. Die Belohnung fühlt sich nicht mehr nach Belohnung an. Du kannst ja auch einfach dein Smartphone nehmen, und dir eine Belohnung holen. Warum dann noch anstrengen? 

Um dich selbst besser kennenzulernen, ist es nötig, die Ablenkungen zu erkennen und ab und zu bewusst abzuschalten. Denn wenn du dich konstant ablenkst, wird deine Verbindung zu dir selbst nicht stärker – aber du bist abhängig von diesen äußeren Einflüssen, um glücklich und zufrieden zu sein. Wenn du die Ideen aus dem ersten Teil dieses Buches umgesetzt hast, dann wirst du es gemerkt haben. Wie schwer es ist, dich hinzusetzen und deine Ziele und Werte aufzuschreiben. Wie stark der Drang sein kann, über andere nachzudenken und sich über sie aufzuregen, statt an sich selbst zu arbeiten. Wie verlockend es ist, direkt nach dem Aufstehen oder am Abend im Bett noch Facebook oder Instagram zu checken. Alles zu tun, um nicht mit dir selbst alleine zu sein. Deshalb ist es deine Aufgabe, zu lernen, einfach zu sein, statt zu etwas tun. Das ist auch das, was ich schon als „inneres Ziel“ beschrieben habe.

Image by Omid Armin

Die Hausaufgabe

Beobachte, wie stark du von „Fast Food Glück“ abhängig bist. Konfrontiere deine Ängste und finde jeden Tag ein paar Momente, in denen du in aller Ruhe alleine sein kannst, um zu spüren, was in dir passiert. Je schlechter und schmerzhafter sich das anfühlt, desto nötiger ist es, damit du deinen inneren Kern finden kannst. Wenn du es jedoch schaffst, wirst du unabhängiger sein von äußeren Einflüssen und damit stärker als vorher. Extrem hilfreich kann es dafür sein, täglich zu meditieren.

Der Merksatz

Ich schaffe bewusste Momente der Ruhe in meinem Leben, um mein wirkliches Ich besser zu verstehen.

Exkurs: Die Welt der Meditation

Das Thema ist ja schon seit vielen Jahren "in". In unseren Breitengraden zumindest, denn in anderen Kulturen gehört die Meditation schon sehr viel länger zum täglichen Leben. Ich möchte hier gar nicht viel über die Vorteile der Meditation aufschreiben, dazu kommen wir später noch, genauso wie dazu, wie du genau meditieren kannst. Zwei Dinge waren für mich aber entscheidend, um das Thema zu verstehen und eine tägliche Routine daraus zu machen:

Image by David Brooke Martin

1. Die Ziele der Meditation sind, deine Konzentration zu verbessern, Klarheit über dich selbst zu erlangen und zu lernen, im Moment zu sein, ohne dich von deinen Gedanken ablenken zu lassen. Nicht etwa, wie ein Mönch in voller Zufriedenheit über einem Seerosenblatt zu schweben oder so. Meditation unterstützt damit direkt alles, was ich bisher beschrieben habe. Je nach Art der Meditation, die du für dich wählst, kannst du diese in einem gewissen Maße nutzen, um herauszufinden, was dich unterbewusst beschäftigt. Je häufiger ein Thema in deinen Gedanken während deiner Meditation auftaucht, desto wichtiger ist es zur Zeit für dich. Nutze dieses Wissen, um dich in deinem Leben auf die Dinge zu konzentrieren, die dich wirklich beschäftigen, anstatt dich mit unwichtigen (aber einfacheren / weniger schmerzhaften / kurzfristig interessanteren) Themen abzulenken.

2. Meditation zu lernen ist wie Training. Du wirst nicht in der Lage sein, dich einfach hinzusetzen und sofort für Stunden in eine tiefe Trance gleiten zu können. Genau das ist, was ich irgendwie erwartet und warum ich mich am Anfang damit so schwer getan habe.

Für einen Zappelphilipp wie mich war es schon schwer, einfach 5 Minuten still zu sitzen. Die Gedanken nicht zu verfolgen, die innere Ruhe zu spüren, war noch bedeutend schwerer. Als ich jedoch irgendwo las, dass Meditation wie Training ist und man es mühsam lernen muss, ging mir ein Licht auf. Jedes Mal, wenn du dich zwingst, einen Gedanken nicht zu verfolgen und gehen zu lassen, ist das wie eine Wiederholung mit einer Hantel. Jedes Mal lernt dein Geist oder dein Hirn oder wer auch immer, wie das geht. Und wenn du so gestrickt bist wie ich, wird es dir auch nach über einem Jahr so gut wie täglicher Meditation von 10-15 Minuten noch immer verdammt schwerfallen. Wie für alles andere in diesem Buch gilt auch hier: Ein wenig Anstrengung ist schon nötig.

Ein Bild möchte ich dir an dieser Stelle noch mitgeben: Du kannst Meditation sehen wie eine Dusche für Geist. Wenn du meditierst, „reinigst“ du deine Gedankenwelt von verschiedenem Ballast, der sich dort so angesammelt hat. Wenn du deinen Körper täglich reinigst, warum tust du das nicht auch mit mit deinem Geist?

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