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Verzögerte Belohnungen

Stell dir vor, dein Ziel ist es, abzunehmen. Und du magst sehr gerne Pizza, mit Salami und mindestens doppelt Käse – am besten sogar mit Käserand! Du weißt aber, einen Salat zu essen wäre besser für dich, denn der hilft dir beim Abnehmen. Die Entscheidung darüber, was du jetzt isst, soll als Beispiel zur Verdeutlichung des Themas dieses Kapitels dienen. Isst du die Pizza, hast du eine sofortige Belohnung, denn sie schmeckt einfach verdammt gut. Isst du den Salat, hast du eine verzögerte Belohnung. Er schmeckt vielleicht nicht so gut wie die fettige Pizza, aber er trägt später nicht dazu bei, dass die fiese Anzeige der Waage in die falsche Richtung geht. In diesem Kapitel geht es also um die vielen kleinen Kreuzungen, an denen du jeden Tag entscheiden musst, wo du abbiegst.

Image by Kelvin T

Du trifft pro Tag hunderte von Entscheidungen, manche sehr klein und unwichtig, andere mit größeren Auswirkungen. Fast immer hängt deine Wahl von der Belohnung ab, von dem positiven Ergebnis, welches du dir durch deine Handlung erhoffst. Für welche Option du dich entscheidest, wird davon beeinflusst, wie „gut“ du welche Option findest und wie lange es dauert, sie zu erhalten. Zwei unserer alter Freunde spielen hier zusammen: Dopamin und die beiden Systeme im Gehirn. Dopamin wird grundsätzlich ausgeschüttet, wenn du an eine Belohnung denkst (Vorfreude) und wenn du sie dann erhältst.

Wenn du an eine sofortige Belohnung denkst, wird mehr Dopamin an das „alte System“ gesendet, dein emotionaler Geist, dein inneres Reptil wird angesprochen. Denkst du an eine verzögerte Belohnung, aktiviert dies das „neue System“, deinen rationalen Geist, stärker. Wie viel Dopamin an welches System gesendet wird, ist bei jedem Menschen ein wenig anders, und hat mit unseren Genen, unserer Erziehung und unsere Gewohnheiten zu tun. Wichtig ist nur, dass du im Hinterkopf hast, was in deinem Gehirn passiert. Und das du dich daran erinnerst, dass du diese Dinge beeinflussen kannst.

Salat

Wenn du dir unser Beispiel jetzt erneut vor Augen führst, wird deutlich, wie unterschiedlich die Belohnung sich langfristig gesehen auswirken. Die sofortige Belohnung – Pizza – schmeckt sofort gut und macht dich später dick. Die verzögerte Belohnung – Salat – schmeckt sofort nicht so gut und hilft dir später beim abnehmen. Was jetzt gut ist, ist später schlecht. Was jetzt schlecht ist, ist später gut. Dieses Prinzip kannst du auf viele Entscheidungen in deinem Leben anwenden. Eine Stunde Social Media mit schnellen Belohnungen durch lustige Bilder und Likes, aber im Grunde keiner langfristigen positiven Auswirkung auf dein Leben oder eine Stunde einen trockenen, langweiligen Vortrag über den Umgang mit Geld ansehen, der dir später hilft, dein restliches Leben positiver zu gestalten? Lieber auf dem Sofa liegen und Netflix schauen oder Sport machen? Was auch immer deine Entscheidung ist, nimm dir einen Augenblick Zeit, um über die Art der Belohnung nachzudenken.

Zu jeder einzelnen Entscheidung mit ihren direkten Auswirkungen kommen zwei weitere Faktoren hinzu, die es noch wichtiger machen, bewusst abzuwägen.

 

Der erste ist ein weiterer alter Freund, und zwar die Gewohnheit. Je häufiger du dich für die sofortige Belohnung entscheidest, desto mehr trainierst du dein Gehirn darauf, sofortige Belohnungen mit einem schnellen Dopaminkick zu erwarten. Du wirst ungeduldiger, deine Aufmerksamkeitsspanne sinkt, die verlernst sozusagen Selbstdisziplin. Wenn du hingegen öfter die verzögerte Belohnung wählst, übst du dich darin, deine Befriedigung daraus zu ziehen, die langfristig gesehen „bessere“ Entscheidung getroffen zu haben. Du wirst disziplinierter, gibst nicht so oft nach, du bildest Gewohnheiten, die verzögerte Belohnungen mit sich bringen. Irgendwann ziehst du so viel Erfüllung daraus, die Belohnung zu verzögern, also die richtige Wahl getroffen zu haben, dass der Unterschied zwischen der Qualität der sofortigen Belohnungen gar nicht mehr so wichtig ist.

Der zweite Faktor ist der Dominoeffekt, also die Idee, dass ein Ereignis weitere Ereignisse nach sich zieht. Nehmen wir hier das Thema Schlaf als Beispiel. Wenn du bist wie ich dann gehst du nicht so gerne ins Bett am Abend, weil du „mehr vom Tag haben möchtest“, lieber noch ein Folge deiner Lieblingsserie schaust oder noch eine Runde Computer spielst, obwohl du weißt, dass am nächsten Tag der Wecker um 6.30 Uhr klingelt und sieben Stunden Schlaf für dich schon sein müssen, damit du nicht den ganzen nächsten Tag durchhängst. Die sofortige Belohnung ist, „mehr vom Tag zu haben“. Die verzögerte Belohnung ist, am nächster Tag fitter zu sein. Aber wenn du genau hinschaust, ist es noch so viel mehr: Du hast mehr Energie für deinen Job und deine Hobbies, du bist netter zu deinen Mitmenschen, hast generell bessere Laune und kannst dich deshalb auch eher zu schwierigen Dingen motivieren. Alle diese Dinge kannst du um 180° drehen, wenn du zu wenig geschlafen hast. Das ist der Dominoeffekt. Wir berücksichtigen häufig nur die direkten Auswirkungen unserer Handlungen, nicht aber die Konsequenzen, die weiter aus ihnen folgen.

Ich hoffe, du siehst, warum viele Entscheidungen im großen Ganzen sehr viel mehr Einfluss haben, als es zunächst den Eindruck macht. Selbstdisziplin ist eben mehr, als nur eine magische Eigenschaft, die manche eben haben und andere nicht. Es ist die Fähigkeit, häufiger die „richtige“ Entscheidung zu treffen. Du kannst sie trainieren, und wenn du Gewohnheiten und den Dominoeffekt mit betrachtest, sollte es eigentlich keine Ausreden mehr geben, die dich davon abhalten, deine Entscheidungen besser zu durchdenken.

Image by Nick Fewings

Die Hausaufgabe

Übe dich darin, dir bei allen Entscheidungen, die du in deinem Leben treffen musst, folgende Fragen zu stellen:

 - Was ist die sofortige, was ist die verzögerte Belohnung?


- Ist mein erster Impuls, mich für diese Option zu entscheiden, gesteuert von meinen Gewohnheiten?


- Welche Auswirkungen hat diese Entscheidung langfristig auf andere Bereiche meines Lebens?

Wenn du diese Fragen mit deinem Wissen über Dopamin und die zwei Systeme in unseren Gehirn kombinierst, dann wird es gar nicht lange dauern, bis dir deine neuen Gewohnheiten zusammen mit dem Dominoeffekt geholfen haben, deinen Zielen ein ganzes Stück näher zu kommen.

Der Merksatz

Ich weiß, dass auch kleine Entscheidungen große Auswirkungen auf mich haben können und entscheide mich deshalb für die verzögerte Belohnung.

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