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Sinn und Unsinn

Was ist der Sinn des Lebens? Diese Frage stellen Philosophen – und nicht nur die – sicherlich schon, seitdem es Philosophie gibt. Ganz so hochtrabend, wie es klingt, meine ich die Frage aber nicht. Hier soll es eher um den Sinn deines Lebens gehen. Ich möchte dir dabei jedoch keine großen Weltverbesserungspläne andichten, sondern einen Anker für dich finden. Der erste Teil dieses Buches hat sich ja viel mit verschiedenen Arten von Zielen beschäftigt. Die Annahme dabei ist: Du möchtest glücklich und zufrieden sein, einfach ein angenehmes Leben haben. Et voilà, da haben wir einen möglichen „Sinn“. Lass uns aber noch einmal ein wenig mehr über das Thema nachdenken.

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Die moderne Welt bietet uns so viele Möglichkeiten und Freiheiten, wie sie keine andere Generation vor uns hatte. Wir sind nicht zwangsweise auf einen Karrierepfad oder ein Familienmodell festgelegt. Wir können fast überall Leben und fast alles tun, wo und was wir wollen. Diese Vielzahl an Möglichkeiten kann aber auch schnell zu Problemen führen, die sich dann in zwei verschiedenen Ausprägungen zeigen – je nachdem, wie deine Persönlichkeit gestrickt ist.

Image by Edgar Chaparro

Als erstes gibt es da Überforderung, die Angst vor dem Chaos. Die vielen Optionen verunsichern dich. Dir fehlt ein klarer Weg, dem du folgen kannst. Deshalb wählst du einen lukrativen Job oder vielleicht den, den deine Familie für dich möchte. Die Arbeit erfüllt dich nicht wirklich, aber sie bringt Geld und ist gesellschaftlich angesehen. Du begibst dich in die erstbeste Beziehung, weil alles besser ist, als alleine durch diese chaotische Welt zu gehen, auch wenn sie dich vielleicht nicht wirklich richtig glücklich macht. Deine Hobbies hast du gewählt, weil es das gleiche ist, was deine Freunde auch machen, oder du sitzt jeden Abend vor dem Fernseher, denn das ist es doch, was man nach Feierabend zum entspannen tut, oder nicht?

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Oder gehörst du zu den Menschen, die das Chaos lieben? Hast du ständig einen neuen Job, weil dir fast alles nach ein paar Monaten zu langweilig wird? Stürzt du dich von einem romantischen Abenteuer in das nächste, ohne je eine wirklich tiefe Beziehung zu jemandem einzugehen?

Gestern hast du Posaune gelernt, heute Karate, morgen töpfern, übermorgen vielleicht noch schnell eine Fallschirmspringer-Lizenz eingeplant?

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Im ersten Fall ist der Antrieb Unsicherheit, im zweiten Langeweile. Beides kann zu Stress und depressiven Gefühlen führen. Wenn du dich von der Unsicherheit treiben lässt, wirst du irgendwann verbittert sein und das Gefühl haben, im Leben „nichts erlebt zu haben“. Oder auch, etwas verpasst zu haben. Wenn dich die Langeweile antreibt, ist scheinbar erst alles super spannend. Später schleicht sich dann jedoch das Gefühl ein, keinen Fortschritt zu erzielen, kein Ziel zu erreichen, keinen Sinn im Leben zu haben. Deshalb ist es wichtig, dein inneres Radar zu aktivieren und herauszufinden, was dich als Individuum antreibt. Und damit machen wir dann aus Stress und Depression einen starken Antrieb, Kraft und Stressresistenz.

Wanderweg

Nimm bitte als gegeben hin: Der Antrieb, den dir dein eigener Sinn gibt, kann wahnsinnig stark sein. Deshalb ist der Auftrag klar – Geh auf die Suche! Wenn du, wie vor ein paar Seiten beschrieben, deinen inneren Kern suchst, dann bist du sowieso schon dabei. Dies hier ist nur eine andere Perspektive. Also, probiere Dinge aus, hinterfrage dich selbst, aber lass dich dabei nicht von den Meinungen anderer beeinflussen. Es geht um deinen individuellen Sinn. Aber höre auch nicht sofort mit etwas auf, nur weil es schwierig oder vielleicht manchmal etwas langweilig erscheint. Selten gibt es im Leben die wirklich wertvollen Dinge ohne ein wenig Anstrengung. Es wird und muss sich nicht immer „gut“ anfühlen, so wie auch Muskelkater kein „schönes“ Gefühl ist. Und damit wir uns nicht falsch verstehen: Dein Sinn muss nicht grandios, politisch, beeindruckend oder besonders lukrativ sein. Er kann gesellschaftlich – für die anderen! – total irrelevant sein. Hauptsache, er gibt dir Kraft, Erfüllung und macht dich, tief im Inneren, glücklich.

Die Hausaufgabe

Beginne deine Suche in deiner Kindheit. Kannst du dich erinnern, was dir als Kind viel Spaß gemacht hat? Wohin haben dich deine Interessen gezogen? Vielleicht in unübliche Richtungen? Wurde dir bei manchen Dingen vielleicht gesagt, das sie unsinnig seien? Hat dein Umfeld dir dein Interesse „abtrainiert“, weil es nicht den gesellschaftlichen Normen entsprochen hat?

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Hast du später im Leben gewisse berufliche Bahnen, die dich interessiert haben, zugunsten vermeintlich sichererer Beschäftigungen aufgegeben? Hobbies nicht ausprobiert oder eine Beziehung aufgegeben, weil deine Freunde es dir geraten haben, obwohl du tief in dir wusstest, dass es für dich falsch ist? Wofür hast du ein besonderes Geschick, was fällt dir leicht im Leben? Hast du irgendwann in deinem Leben Kompromisse gemacht, weil deine eigene Faulheit oder die Angst, zu versagen, zu stark waren? Hattest du Furcht davor, ausgelacht zu werden?

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Du siehst, meine Fragen sind nicht sehr spezifisch. Das kommt, weil dein Sinn aus allen Bereichen deines Lebens kommen kann. Er kann beruflicher Natur sein oder politisch und sozial motiviert sein. Er kann das Gründen einer Familie beinhalten oder mit einer Art künstlerischer Selbstentfaltung zusammenhängen. 

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Ein andere Methode ist, deine Suche am Ende deines Lebens anzufangen, zumindest imaginär. Dr Ha Vinh Tho, der viele Jahre für das Bruttonationalglück – ja, das gibt es wirklich! – des Landes Bhutan zuständig war, empfiehlt in einem Podcast folgendes Vorgehen: Komm zur Ruhe, nimm dir ein paar freie Minuten, und stell dir vor, du liegst auf deinem Sterbebett. Du schaust zurück auf dein Leben. Was möchtest du sehen, wenn du dein Leben betrachtest? Wie sollen sich deine Nachkommen an dich erinnern? Was würde dich erfüllen, damit du sagen kannst: „Ja, ich habe ein gutes Leben geführt, mein bestes getan, ich kann jetzt entspannt gehen.“ Schreibe diese Version deines Lebens auf. Dann vergleiche sie damit, wie dein Leben aktuell aussieht. Vermutlich wird es Unterschiede geben. Überlege dir dann, was der konkrete und realistische nächste Schritt ist, den du in Richtung deines „guten Lebens“ tun kannst. Was jetzt kommt, kannst du dir sicherlich denken – tue diesen Schritt!

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Wie sich dein Sinn auch immer gestaltet, ich gehe davon aus, dass er im Normalfall irgendwie einen Bogen zwischen den drei Bereichen des Lebens spannen wird. Wie genau das aussieht, kannst nur du selbst herausfinden. Tu mir deshalb einen gefallen: Lass dich bei der Suche nicht von anderen, speziell den Zynikern in deinem Leben, beeinflussen, denn niemand kann fühlen, was du fühlst. Und du wirst es fühlen, wenn du deinen Sinn gefunden hast.

Der Merksatz

Ich kenne meinen Sinn im Leben und ziehe Kraft aus ihm.

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