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Gewöhnung ans Glück

Wusstest du schon, dass Glück in einem gewissen Sinne wie Alkohol ist? Das du eine Toleranz aufbauen kannst und dann immer mehr brauchst, um noch etwas davon zu spüren? Okay, ich gebe zu, der Vergleich ist vielleicht etwas weit hergeholt. Aber im vorherigen Kapitel – genauer gesagt auf Stufe 1 der Glücksleiter – sprachen wir ja schon darüber, wir schnell neue Dinge Ihren Reiz verlieren und dich dann nicht mehr so glücklich machen, wie am Anfang, als du sie ganz neu gekauft hast. Auch davon, dass das etwas mit Dopamin zu tun hat, habe ich dir bereits erzählt. Aber lass uns dieses Phänomen noch etwas genauer anschauen, denn es gibt uns eine weitere wunderbare Perspektive auf die Themen Glück und Vergänglichkeit.

Image by Omar Lopez

In der positiven Psychologie nennt man diese „Abnutzung“ von Glücksgefühlen „hedonistische Anpassung“. Sie lässt sich in vielen Bereichen beobachten, nicht nur, wenn du dir etwas schönes gekauft hast. Auch das Hochgefühl von Frischvermählten wird zum Beispiel mit der Zeit weniger. Nach im Schnitt 2 Jahren ist verheiratet zu sein dann ein ganz normaler Teil des Lebens geworden.

 

Dahinter steckt wieder einmal unsere Evolution. Das wir nicht dauerhaft durch äußere Umstände zufrieden zu stellen sind, hat uns im Laufe unserer Entwicklung dazu getrieben, immer weiter zu machen, neues zu erforschen, uns zu verbessern, unsere Gene stärker zu vermischen. Wenn sich durch das Erreichen eines Ziels dauerhafte Glückseligkeit einstellen würde, dann hätten wir einfach keinen Grund, uns weiter anzustrengen. Leider kann diese Anpassung aber auch dazu führen, dass wir uns schlecht fühlen, weil uns das Glück scheinbar einfach immer wieder durch die Finger rinnt und wir nie wirklich ankommen.

Zwei Faktoren sind hier am Werke. Zum einen sind es die Glückshormone, die dein Körper ausstößt, wenn du dir etwas schönes kaufst oder eine für dich tolle Sache geschieht. Zunächst einmal ist es ja gut, dass es diese gibt, ich möchte dir auch gar nicht die Freude über deine neue Anschaffung oder das erreichen deines Ziels kaputtmachen. Immerhin hast du ja auch darauf hingearbeitet, dir dieses Geschenk machen zu können. Aber: Die Glückshormone sind auch fast genauso schnell wieder weg, wie sie gekommen sind. Und darin besteht die Gefahr, denn bei manchen Menschen entwickelt sich eine Art Sucht nach diesem kurzfristigen „Glückskick“. Das passiert besonders häufig bei Menschen, die sonst wenig Quellen für Glücksgefühle in ihrem Leben haben. Sie brauchen dann immer häufiger neue Sneaker, Smartphones, Autos, Partner, höhere Umsätze oder was auch immer. Es beim Kauf dann gar nicht mehr um den Nutzen des Gegenstandes, um das Ereignis an sich, sondern nur um die Ausschüttung von Hormonen, die mit dem Kauf oder der Zielerreichung verbunden ist.

Image by Drew Dau

Der zweite Faktor ist der Vergleich mit anderen Menschen und damit, was diese besitzen. Wenn du etwas haben oder erreichen möchtest, was andere haben oder besitzen, um genau so glücklich zu werden, wie sie es sind (oder zumindest wie das Bild ist, was sie die in ihren Social Media Kanälen vermitteln), dann wird auch das dich nicht wirklich glücklich machen. Nur, weil der neue Pool deinen Nachbarn scheinbar happy macht, bedeutet das nicht, dass es für dich auch so wäre. Oder vielleicht kauft er sich ja auch gleich einen größeren Pool, sobald du einen hast, weil er sein Glück daraus zieht, mehr zu haben als du? So oder so gibt es vermutlich immer jemanden, der mehr hat als du. Deshalb sind Vergleiche mit anderen im Grunde eigentlich immer nutzlos. Im schlechtesten Fall läuft es dann auf das hinaus, was der Amerikanische Komiker Danny Kaye in seinem bekannten Zitat beschrieben hat: „Immer wieder gibt der Mensch Geld aus, das er nicht hat, für Dinge, die er nicht braucht, um damit Leuten zu imponieren, die er nicht mag.“ Doch wie lösen wir dieses Problem nun? Mit zwei im Grunde ganz einfachen Aussage: Geld ist nicht alles und die Erfüllung deiner Wünsche wird dich nicht dauerhaft glücklich machen!

Ja, schon wieder, auch hier verfolgt dich diese alte Binsenweisheit, auch ich lasse dich damit nicht in Ruhe, weil es einfach die Wahrheit ist. Genauso, wie ich auch noch einmal darauf hinweisen möchte, dass es schon einige Untersuchungen dazu gegeben hat, wie viel Geld man zum glücklich sein im Durchschnitt benötigt und ab welchen Summen es fast keinen spürbaren Zuwachs mehr an Glück im Leben gibt. „Aber du erzähltest doch eben auch, wie auch andere Dinge ‚gewöhnlich‘ werden und uns nach und nach nicht mehr glücklich machen. Warum geht es jetzt hier so viel um Geld?“, höre ich dich sagen. Die Antwort: Weil Geld oft die Basis, der Ausgangspunkt solcher Überlegungen ist.

Weil oft die Menschen, die andere, nicht-materielle Dinge für ihr Glück gefunden haben, weniger unter den Auswirkungen der hedonistischen Anpassung leiden. Und das ist auch ganz logisch, wenn wir uns die menschlichen Bedürfnisse einmal ansehen. Lass uns dazu die Bedürfnispyramide des amerikanischen Psychologen Abraham Maslow betrachten. Sie zeigt (sehr vereinfacht, wohlgemerkt) die Hierarchie menschlicher Bedürfnisse und damit auch die zugehörigen Motivationen. Gehen wir jetzt davon aus, das ein befriedigtes Bedürfnis Glücklichsein mit sich bringt, dann sieht das wenn wir die Pyramide von unten her anschauen, folgendermaßen aus:

Physiologische Bedürfnisse: Viele davon lassen sich mit Geld befriedigen. Du kannst dir Nahrung und etwas zu trinken genauso kaufen wie eine schöne Wohnung zum Schutz vor dem Wetter und ein gemütliches Bett für einen erholsamen Schlaf.

Sicherheitsbedürfnisse: Auch auf dieser Ebene spielt Geld eine große Rolle. Dein Wohnraum gibt dir körperliche Sicherheit, deine Arbeit sorgt für deine materielle Grundsicherung und auch deine Arztrechnungen kannst du nicht mit Kaugummis begleichen. Wenn du dir dann noch einen Bodyguard anheuerst, bist du komplett abgesichert.

Image by Julian Hochgesang

Soziale Bedürfnisse: Freundschaft, Familie, Gemeinschaft, sozialer Austausch, Liebe, sexuelle Intimität – in der Kategorie der sozialen Beziehungen wird es schon schwieriger, mit Geld etwas zu erreichen. Zumindest bin ich der festen Überzeugung, dass auf Geld basierende soziale Beziehungen nie so tief sein können, wie welche, in denen materielles keine Rolle spielt.

Individualbedürfnisse: Gut, du kannst Erfolg und Unabhängigkeit durch Geld definieren. Du wirst in gewisser weise freier, wenn du „reich“ bist. Du gewinnst in einigen Kreisen an Ansehen, Wertschätzung und Prestige, wenn du mit deinem Ferrari auftauchst. Auf dieser Ebene kommt es sehr stark darauf an, wie du dein Geld einsetzt, um die Bedürfnisse zu befriedigen.

Selbstverwirklichung: Dem Leben einen Sinn geben, deine Talente und Potenziale entfalten, dich weiterentwickeln, etwas bleibendes hinterlassen. Sicher kann auch hier Geld sehr hilfreich sein – oder eben total unnötig, je nachdem, wie du dich selbst verwirklichen möchtest.

Was lernen wir nun daraus? Es geht eigentlich nie um Geld an sich. Geld ist nur ein Platzhalter zur Erfüllung unterschiedlicher Bedürfnisse, in unserem aktuellen System sozusagen ein notwendiges Übel. Zudem wird ersichtlich, wie verschiedene Bedürfnisse aufeinander aufbauen. Es findet sozusagen die Bedürfnispyramide hinauf eine hedonistische Anpassung statt: Du erfüllst ein Bedürfnis, bist kurz glücklich, dann gewöhnst du dich daran und beginnst sogleich mit der Befriedigung des nächsten.

Image by Melissa Askew

Und ganz oben auf der Pyramide steht dann die Selbstverwirklichung, die für mich zumindest immer ein Prozess ist, der wohl nie wirklich ein Ziel erreicht oder „abgeschlossen“ ist. Im Grunde können wir es so zusammenfassen: Das Erreichen eines einzelnen Ziels oder die Befriedigung eines bestimmten Bedürfnisses alleine werden dich nie wirklich glücklich machen. Deshalb steht auf der letzten Stufe unserer Glücksleiter im vorherigen Kapitel auch die Wertschätzung dessen, was du schon hast. Die Erkenntnis darüber, für was in deinem Leben du alles dankbar sein kannst. Und deshalb ist Akzeptanz, also der Zustand in allen Kategorien des Lebens, den du bereitwillig akzeptieren kannst, ohne das er dich stört, schon wahnsinnig gut. Denn wenn wir davon ausgehen, dass sich Glück im Sinne eines „euphorischen Hochgefühls“ immer abnutzt, dann ist vielleicht eine konstante, tiefe Zufriedenheit mit den Dingen ein besseres Ziel als das absolute Glück, oder?

Die Hausaufgabe

Schau die deine Ziele im Leben an und notiere dir dazu, warum du sie genau erreichen willst. Was versprichst du dir davon? Welche Bedürfnisse stecken dahinter? Und was wirst du tun, damit diese Ziele dich dauerhaft zufrieden machen und dich die hedonistische Anpassung nicht dazu treibt, in einem Hamsterrad von „höher, schneller, weiter“ festzuhängen?

Der Merksatz

Ich weiß, dass Glück sich abnutzt und setze deshalb auf innere Zufriedenheit.

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